Meta-Analysen zu neurowissenschaftlichen Geschlechterstudien zeigen methodische und interpretative Biases auf (s.Publikationen Schmitz, Vorläuferprojekt GERDA - gendered digital Brain Atlas, Universität Freiburg), die einer einfachen geschlechterdifferenten und -homogenisierenden Zuschreibung von biologischen Ursachen für Verhalten oder kognitive Leistungen widersprechen.
Aktuelle Plastizitäts-Konzepte in den Neurowissenschaften eröffnen dagegen Erklärungsansätze zur erfahrungsoffenen Ausbildung von Gehirn und Verhalten und tragen zu einem differenzierteren Genderverständnis bei. Die Inklusion dieser Konzepte und die Entwicklung entsprechend differenzierter methodischer Ansätze in den Neurowissenschaften stehen im Zentrum meiner diesbezüglichen Forschungsarbeiten.
Mein zweiter Forschungsstrang betrifft die Analyse der Auswirkungen neurowissenschaftlicher Wissensproduktion in gesellschaftlichen Kontexten. In vielen Disziplinen wird das Gehirn heute zur Erklärungs- und Voraussageinstanz für Verhalten, kognitive Leistungen oder Einstellungen herangezogen (Stichwort Neurokulturen).
Gleichzeitig werden Gehirne im Zuge neoliberaler Konzepte der Leistungsgesellschaft zu Ressourcen für Selbst- und Fremd-Optimierungen (z. B. im Neuroenhancement). Auf den ersten Blick verliert dabei die "natürliche" (biologische) Konzeption ihre Bedeutung zur Legitimation sozialer Positionierungen und Hierarchisierungen.
Meine aktuellen Analysen zeigen jedoch, dass Gender (und damit verschränkte interdependente Kategorien wie Ethnizität, soziale Schichtung oder Alter) weiterhin Grundlagen für Differenzierungen und Diskriminierungen bilden. Die weitere Analyse von Genderaspekten im Rahmen einer solchen Neuro-Gouvernementalität steht im Zentrum dieses Bereiches.
Drittens stehen aktuellen Hybridisierungen zwischen Gehirn und Technik und ihre Auswirkungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene im Kern meiner aktuellen Forschung. In den Netzwerken von Brain-Maschine-/Brain-Computer-Interfaces untersuche ich Kommunikationsprozesse, Codes und Wechselbeziehungen, welche die Potenziale aber auch die Grenzen solcher Grenzüberschreitungen zwischen Natur und Kultur betreffen.
Meine Weiterentwicklung epistemologischer Konzepte behandelt mit Bezug zu aktuellen theoretischen Ansätzen des "feminist materialism" die Verschränkungen von materiellen Dynamiken, Bedeutungseinschreibungen und Normierungen. Dabei geht es insbesondere um machtvolle Dispositive und Normierungen in der zunehmenden Verschränkung von Neurowissenschaft, Neurotechnologien und transhumanistischen Visionen.